DIE GESCHICHTE DES JIU JITSU

 

In den verschiedenen Kampfkunstschulen des alten Japans wurde neben dem Waffenkampf auch waffenloses Training abgehalten. Hier lernten die Schüler, wie man sich auch ohne Waffe gegen einen bewaffneten Angreifer verteidigen kann. In den klassischen Schwert- und Waffenschulen Japans wie etwa der Tenshin Shoden Katori Shinto Ryu, wo bis heute so trainiert wird wie auch noch vor mehreren hundert Jahren, finden sich im Kurrikulum der Schule waffenlose Techniken.

Die waffenlosen Techniken der alten Ryu gingen meist von einem Zweikampf aus, bei dem sich zwei Gegner in Rüstungen gegenüberstehen. Da man mit Schlägen und Tritten gegen einen gepanzerten Gegner nicht viel ausrichten kann, konzentrierten sich diese Techniken auf Griffe in die Rüstung, um eine gute Position zu erringen, sowie einfache Wurftechniken, die den Gegner zu Boden zwingen sollten. Außerdem wurde mit kleinen, kurzen Waffen gearbeitet, die man in der Kleidung tragen und verbergen konnte. Diese Methoden wurden unter dem Namen Kumiuchi bekannt.

Im Laufe der Zeit entwickelten sich aus den alten Ryu neue Schulen, die sich teilweise immer mehr auf die waffenlosen Techniken spezialisierten. Dabei ist davon auszugehen, dass auch ausländische Kampfsysteme aus China oder Korea die japanischen Stile beeinflusst haben. In der Tokugawa-Periode zum Beispiel wird vom Chinesen Chen Yuanbing berichtet, der einen wichtigen Impuls für die Entwicklung des japanischen Jiujitsu gegeben haben soll, indem er die Japaner die chinesischen Stile des Werfens (Shuaijiao) und Hebelns (Qinna) lehrte. Auch das Sumo, welches bereits seit langer Zeit in Japan praktiziert wurde, hat sicher seinen Teil zur Entwicklung des späteren Jiujitsu beigetragen.

Die neuen Stile wurden bekannt unter den Namen Yawara, Taijutsu, oder Subaku. Später wurden alle diese verschiedenen Namen unter der Bezeichnung Jiujitsu (weiche Kunst) zusammengefasst. Es entstanden über hundert Jiujitsu-Schulen (Ryu), die nicht nur den waffenlosen Kampf übten, sondern auch waffenlos gegen bewaffnete Gegner antraten, sowie auch selbst mit einigen Waffen übten. Bei den verwendeten Waffen handelte es sich dabei meist um kurze Waffen, die man gut zur Selbstverteidigung einsetzen konnte.

Einige der alten Jiujitsu Ryu sind auch heute noch in Japan bekannt. Die Daito-Ryu spielte zum Beispiel eine wichtige Rolle bei der Entstehung des Aikido, während die Kito-Ryu wichtig für das moderne Judo wurde. Im Judo werden heute noch einige Kata aus den alten Jiujitsu Ryu geübt. Selbst das Karate wurde vom Jiujitsu beeinflusst. Karate-Meister Otsuka war, bevor er sich mit dem Karate befasste, bereits Meister im Yoshin-ryu Jiujitsu. Als er schließlich seinen eigenen Karate-Stil, das Wado-ryu Karate, entwickelte, wurde in seinem neuen Stil die ursprünglich sehr harte Kunst des Karate mit vielen weichen Elementen des Jiujitsu verbunden.

Nach der Öffnung Japans Ende des 19.Jahrhunderts wurde das Jiujitsu auch außerhalb Japans bekannt. Einer der ersten Deutschen, die diese Kunst erlernten und bei uns einführten, war Erich Rahn (1885-1973). Er eröffnete 1906 die erste Jiujitsu-Schule in Berlin. 2006 war also das Jahr, in welchem das Jiujitsu seinen hundertsten Geburtstag in Deutschland feiern durfte. Rahns Schüler Alfred Rhode führte 1932 das japanische Judo in Deutschland ein. Karate (50er Jahre), Taekwondo, Kendo und Aikido (60er Jahre) sowie Kungfu (70er Jahre) folgten erst viel später.

Im Gegensatz zum Judo, welches Sportorientiert ist, ist das Jiujitsu traditionell eine Kunst der Selbstverteidigung gegen einen oder mehrere unbewaffnete und bewaffnete Angreifer. Im Jiujitsu werden deshalb Techniken für den Notfall gelehrt, die in einem sportlichen Vergleich und Wettkampf nichts zu suchen haben. Da das Judo aus dem Jiujitsu entstand, standen und stehen sich bis heute beide Künste sehr nah und werden oft in den Kampfkunstdojos gemeinsam gelehrt. Judo, welches oft auch als ‚entschärftes Jiujitsu’ bezeichnet wird, bietet die Möglichkeit eines fairen Messens im sportlichen Wettkampf. Traditionelles Jiujitsu ist dazu zu gefährlich.

Das Jiujitsu, welches Rahn in Deutschland etablierte, nahm bereits früh Techniken aus den europäischen Kampfstilen auf. So integrierte Rahn Techniken aus dem Boxen, Ringen, und einige „schmutzige Tricks“ von der Straße. So wurde das Jiujitsu auch teilweise der Stil der tausend Tricks genannt. Auf diese Weise wurde das Jiujitsu an deutsche Verhältnisse angepasst. Viele traditionelle Gepflogenheiten der Japaner wurden weggelassen, wie etwa die klassische Kleidung mit Hakama, Obi und Haori, als auch das Verbeugen vor einem Schrein, etc.

Im Jahre 1968 wurde in Deutschland auf Geheiß des DJB (Deutscher Judo Bund) von einigen hochrangigen Budoka wie Werner Heim oder Franz-Josef Gresch ein neues Selbstverteidigungssystem mit dem Namen Jujutsu geschaffen, welches das alte Jiujitsu als Kunst der Selbstverteidigung ablösen sollte. Im neuen Jujutsu wollte man das Beste aus Judo, Karate und Aikido zusammenfassen. In der Anfangszeit war dieser Stil noch mit einigen Schwächen behaftet, die jedoch im Laufe der Jahre nach und nach ausgebügelt wurden. Auf diese Weise ist ein neuer Kampfsport entstanden, der technisch gesehen viele Möglichkeiten bietet. Im Jahr 2000 wurde das Jujutsu überarbeitet und mit neuen Techniken und Konzepten aus dem JKD, BJJ, und vor allem den philippinischen Kampfkünsten verbessert. Damit hat sich das moderne JJ wieder an das alte Jiujitsu angenähert, bei dem immer auch das Training gegen bewaffnete Angreifer ein wichtiger Bestandteil des Trainings war.

Das Kempokan Jiujitsu ist einer der drei Hauptstile des Kempokan Dojos. Es ist im Gegensatz zum modernen Jujutsu eine Kampfkunst, die keinerlei Kompromisse hinsichtlich Wettkampfsport oder Showeinlagen zulässt, sondern seinen traditionellen Prinzipien treu bleibt. Sportlichkeit ist keine Voraussetzung für das Training in unserem Jiujitsu, wodurch dieser Stil für Jedermann erlernbar ist. Wichtiges Kennzeichen unseres Stils ist, dass die fortgeschrittenen Schüler sich nicht nur mit den waffenlosen Techniken beschäftigen, sondern ebenfalls mit verschiedenen Waffen und ihrer Handhabung. Auf diese Weise lernen die Schüler nicht nur, sich waffenlos als auch mit verschiedenen Gegenständen zu verteidigen, sondern auch, inwiefern die waffenlosen Techniken ursprünglich aus den Waffentechniken der Samurai abgeleitet wurden. Hierbei spielt vor allem das japanische Schwert und seine Verwendung (Iaido und Kenjutsu) eine wichtige Rolle.