GESCHICHTE DER PHILIPPINISCHEN KAMPFKÜNSTE
Die Philippinen sind ein Land, welches sich aus über 7.000 Inseln zusammensetzt. Die 11 größten Inseln umfassen heute etwa 90% der Gesamtfläche des Landes. Ferdinand Magellan, ein portugiesischer Seefahrer im Dienste der Spanier, „entdeckte“ 1521 das Inselreich, welches 1543 nach dem spanischen König Philipp II. Philippinen getauft wurde. Die Ureinwohner der Philippinen leisteten den spanischen Eroberern heftigen Widerstand. 1648 wurden die Philippinen Spanien zugesprochen. Spanische Missionare bekehrten fast die gesamte Bevölkerung zum Christentum. Im Spanisch-Amerikanischen Krieg unterstützten die Philippinos die USA, die ihnen die staatliche Unabhängigkeit versprochen hatten. Im darauf folgenden Friedensvertrag ließen sich die USA jedoch die Philippinen abtreten. Mehrjährige Guerillakriege gegen die USA waren die Folge. Im zweiten Weltkrieg besetzten die Japaner die Philippinen, und die USA konnten sie erst im Jahre 1944/5 zurückerobern. 1946 entließen die Amerikaner dann die Philippinen endlich in die Unabhängigkeit.
Das erste Ereignis, welches auf den Philippinen mit einer Kampfkunst in Verbindung gebracht wird, ist die Ermordung Magellans durch einen einheimischen Stammesfürsten namens Lapu-Lapu. Das Stammesoberhaupt Lapu-Lapu, erfahren in Kämpfen mit anderen Nachbarstämmen, führte seine Krieger auch gegen Magellan in die Schlacht. Er verwickelte die Spanier auf Mactan, einer kleinen vor dem heutigen Cebu gelegenen Insel, schon vor deren Erreichen des Strandes im seichten Wasser in den Kampf. Hier wurden die Spanier, von ihren Rüstungen behindert, nicht mit für ihre Verhältnisse modernen Waffen konfrontiert, sondern sahen sich mit einfachen Stock- und Hiebwaffen attackiert. Magellan fiel in dieser Schlacht und Lapu-Lapu trug den Sieg davon. Lapu-Lapu ging hiermit als Held seines Volkes und erster bekannter Meister des Arnis und Nationalheld in die philippinische Geschichte ein.
Dieser Sieg konnte jedoch nicht verhindern, dass die Spanier schließlich die Philippinen eroberten. Beeindruckt und gleichzeitig verängstigt durch die Fähigkeiten des einheimischen Volkes im Umgang mit den Stock- und Schwertwaffen, verhängte die Kolonialmacht 1764 ein Trainingsverbot für alle Kampfkünste. Um ihre Kunst weiter ausführen zu können und das Verbot zu umgehen, führten die Philippinos später Tänze und Aufführungen vor, in denen sie ihre Kampfkunst als künstlerische Unterhaltung verbargen und sie somit vor den Augen der Spanier ihre Fähigkeiten weiter ausüben konnten. Die spanische Sprache hatte einigen Einfluss auf die Namensgebung der philippinischen Kampfkünste, wie Arnis oder Eskrima, die ihren Ursprung in den spanischen Wörtern arnés, für die spanische Rüstung und esgrima, welches für die Fechtkunst steht, finden. Die Philippinos waren auch von den spanischen Schwerttechniken beeindruckt. Sie übernahmen diese und bauten sie aus, worauf das heute bekannte „espada y daga“ (Schwert und Dolch) zurückzuführen ist.
Arnis, Escrima und Kali standen auch unter ständigem Einfluss von indonesischen sowie chinesischen Kampfkünsten. Das Kuntao zum Beispiel ist ein Stil, der sehr stark von chinesischen Kungfu-Stilen beeinflusst wurde. Viele waffenlose Komponenten der philippinischen Kampfkünste weisen eine enge Verwandtschaft zu Bewegungsmustern auf, die man im indonesischen Silat findet. Oft werden heute deshalb auch diese Stile gemeinsam unterrichtet (z.B. Kuntao Silat oder Arnis Defense Silat etc.). Nach Siebert brachten malaiische Stämme die Techniken des Tjakalele, einer indonesischen Form des Stockkampfes, auf die Philippinen mit. Somit ist das Tjakalele eine Urform des heutigen Kali. Das Wort „Eskrima“ erlangte in den frühen Jahren der amerikanischen Herrschaft große Beliebtheit. Als der erste Arnisklub 1932 in Cebu City, Zentralphilippinen, gegründet wurde, gebrauchte der Labangong Fechtklub den Begriff bei der Ausübung der Kampfkunst.
Nach und während des zweiten Weltkrieges verließen viele Escrimadores ihre Heimat und wanderten nach Hawaii und Kalifornien aus. Dort finden sich noch heute viele Kampfkunstmeister für philippinische Kampfkünste. Von hier hat der moderne Siegeszug der philippinischen Kampfkünste seinen Anfang genommen. Als eine der modernen Wiegen des Escrima kann man Stockton / Californien bezeichnen. Hier fanden sich die größte Anzahl Philippinos außerhalb ihrer Heimat zusammen und Großmeister der philippinischen Kampfkünste wie Angel Cabales und Max Sarmiento schufen hier den Ursprung des Escrima in den USA, unter anderem mit der Eröffnung der ersten öffentlichen Escrima Schule 1966. Heute sind die philippinischen Kampfkünste auf der ganzen Welt verbreitet. Immer neue Stile und Systeme entstehen aus den langjährigen Erfahrungen und Kenntnissen von Meistern aus den verschiedensten Ländern.
STILE
Heute macht man kaum noch einen Unterschied zwischen den Begriffen Arnis, Escrima und Kali, und oft werden sie als Synonyme verwendet. Man kann allerdings eine grobe Unterscheidung und Einteilung vornehmen, indem man Arnis als den geographisch nördlichen, Eskrima als zentralen und Kali als südlichen Stil bezeichnet. Techniken wie Schlagwinkel, Entwaffnungen, Doppelstocktechniken usw. decken sich in fast allen Systemen. In einigen gibt es keine Doppelstocktechniken oder kein Espada y Daga, oder sie werden nicht so sehr betont wie in anderen Stilen. Doch auch hier gilt wie überall, dass es vor allem auf den Lehrer ankommt und nicht auf den Stil, der unterrichtet wird. Manche AEK-Stile haben ihren Namen von der Region, aus der sie stammen, andere werden aufgrund besonderer Techniken bezeichnet, und wieder andere tragen einfach den Namen des Stilgründers.
ARNIS
Arnis ist ein Kampfstil, der sich nach 1764 entwickelte und durch die Moro Moro Spiele, Sinnulog Tänze und die spanische Kriegskunst beeinflusst war. Der Begriff „arnis de mano“ (Handschützer) bezieht sich auf die ledernen Armmanschetten der spanischen Fechter. Arnis kommt von arnes, was Harnisch, Schutz, oder Rüstung bedeutet. Die frühen Arnis-Kämpfer konnten ihre spanischen Gegner nur an den Stellen treffen, an denen diese nicht durch ihre Rüstungen geschützt waren.
ESKRIMA
Eskrima, manchmal auch Escrima geschrieben, ist die philippinische Ableitung des spanischen Wortes „esgrima“ (Fechten, Fechtkunst).
KALI
Alte Sammelbezeichnung der Visayas und Mindanaos für scharfe Klingenwaffen. Heute ist das Wort als Waffenbegriff in den Visayas nicht mehr gebräuchlich. Auf Mindanao wird es noch im Sinne von „Moslemdolch“ benutzt. Linguisten nehmen an, dass Kali eine Verschmelzung der Substantive Kamut (Hand) und Lihog (Bewegung) zu Ka-li „Handbewegung“ darstellt. Auf den Inseln Panay, Negros und Samar auch unter der Bezeichnung Kaliradman, Kalirongan oder Pankalikali bekannt. Gegner dieser Theorie führen es auf die alte indonesische Fechtkunst Tjakalele zurück. Wieder andere behaupten Kali sei unter dem hinduistischem Imperium“ Majapahit“ auf die Philippinen gekommen und stammt von der indischen Kriegsgöttin Kali. Dan Inosanto, Freund und Trainingspartner von Bruce Lee, führt den Begriff Kali, den er auch für sein System verwendet, auf die malaiische Sprache zurück. Seiner Ansicht nach ist Kali ein aus zwei Teilen zusammengesetztes Wort, nämlich aus Kahmot und Lihot, was soviel heißt und wie „Bewegung der Hände und des Körpers“. Eine weitere Interpretation des Begriffs Kali besagt, er stamme von Kalis ab, was „schneidende Waffe“ bedeutet. Das „Kali“ ist außerdem eine Art breites Schwert, welches bei den Philippinos noch stets beliebt ist, besonders im südlichen Teil des Landes einschließlich der islamischen Provinzen. Eine dritte Interpretation verweist auf die indische Kriegsgöttin „Kali“. Einige der heute bekanntesten Stile der philippinischen Kampfkünste sind:
Bakbakan Kali
Balintawak Eskrima
Balitok Escrima (Warrior Eskrima)
Black Eagle Arnis Eskrima
Cabales Serrada Eskrima
Doce Pares Eskrima
Inayan Eskrima
Inosanto Kali
Kalis Ilustrisimo
Lapunti Arnis de Abanico
Lameco Eskrima
Latosa Eskrima
Modern Arnis
Pekiti Tirsia Kali
Die philippinischen Kampfkünste werden heute weltweit immer bekannter. Das führt dazu, dass auch immer wieder neue Stile entwickelt werden. Denn ursprünglich lehrten die philippinischen Meister nicht unbedingt nach einem Lehrplan, wie wir ihn heute aus anderen Kampfkünsten kennen, sondern sie lehrten nach Gefühl und je nach Schüler auch schon mal ganz unterschiedlich. Um diese Kampfkünste im Westen publik und populär zu machen brauchen sie jedoch ein gewisses Gefüge. Deshalb wurden von den westlichen Schülern Lehrsysteme entwickelt, um ihren Schülern Schritt für Schritt die Kunst nahe zu bringen. Ich sehe in dieser Entwicklung etwas sehr Positives. Sicherlich werden sich die philippinischen Kampfkünste, nachdem sie in den Westen transportiert wurden, etwas ändern müssen. Doch in dieser Entwicklung liegt die große Möglichkeit, das Beste aus ihnen heraus zu holen, und sie auf eine neue Stufe zu heben.